воскресенье, 4 февраля 2024 г.

Erinnerungsräume: Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses, Aleida Assmann

 In Wordsworths Drei-Phasen-Modell steht ebenfalls an erster Stelle die Wahrnehmungs-Phase, und zwar als «das spontane Überfließen starker Gefühle» (the spontaneous overflow of powerful feelings). 31 Hier befinden wir uns in jener ausschließlichen Gegenwart, die von Hölderlin «selige Selbstvergessenheit» genannt wurde und die für Wordsworth mit Sprachlosigkeit verbunden war. Er sah sie besonders in Kindern verkörpert. Diese Phase liegt der Erinnerungsdynamik voraus und kann von ihr grundsätzlich niemals eingeholt werden.

Mit der zweiten Phase kommen Zeit und Sprache auf. Der kreative Prozeß beginnt mit Rückwendung, mit Rückschau: «Er nimmt seinen Ursprung von einer im Ruhezustand zurückgerufenen Erinnerung« (It takes its origin from emotion recollected in tranquillity). 32 Hier wird nichts einfach zurückgerufen, sondern etwas wird neu hergestellt. Eine neue Emotion entsteht aus der Legierung von ursprünglicher Empfindung und hinzugetretener Erinnerung. So wie die Empfindung der Entstehungsgrund der Emotion war, wird die Emotion zum Entstehungsgrund für das Gedicht. Es gibt keinen direkteren Weg zwischen Poesie und Leben. Denn das Gedicht wird nicht aus Empfindungen, sondern aus Erinnerungen gemacht.

In der dritten Phase wird auf der Basis der Erinnerung eine neue Emotion generiert: «Die Empfindung wird so lange betrachtet, bis eine Art Reaktion eintritt, bei der die Ruhe allmählich abnimmt und allmählich eine neue Empfindung entsteht, die nun ihrerseits im Geist existiert und der ersten ähnlich ist, welche zuvor Gegenstand der Betrachtung war» (the emotion is contemplated till, by a species of re-action, the tranquillity gradually disappears, and an emotion, kindred to that which was before the subject of contemplation, is gradually produced, and does itself actually exist in the mind).

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