Dennoch liegt in dem Worte Der Glaube macht selig! etwas Tiefes und Wahres, insofern es das Gefühl unschuldiger und naiver Zufriedenheit bezeichnet, welches alle Menschen umfängt, wenn sie gern und leicht an das Gute, Schöne und Merkwürdige glauben, gegenüber denjenigen, welche aus Dünkel und Verbissenheit oder aus Selbstsucht alles in Frage stellen und bemäkeln, was ihnen als gut, schön oder merkwürdig erzählt wird. Wo das religiöse Glauben bei mangelnder Überlegungskraft seinen Grund in jener liebenswürdigen und gutmütigen Leichtgläubigkeit hat, da sagt man mit Recht, es mache selig, und denjenigen Unglauben, welcher aus der anderen Quelle herrührt, kann man billig unselig nennen.
Wo man das aber mit frischem Mute und ohne Heuchelei tut, da scheint mir Gesundheit zu herrschen und gelegentlich ein tüchtiger Zank um den Vorteil ein Zeichen von Gesundheit zu sein. Wo man nicht frei heraus für seinen Nutzen und für sein Gut einstehen kann, da möchte ich mich nicht niederlassen; denn da ist nichts zu erholen als die magere Bettelsuppe der Verstellung, der Gnadenseligkeit und der romantischen Verderbnis; da entsagen alle, weil allen die Trauben zu sauer sind, und die Fuchsschwänze schlagen mit bittersüßem Wedeln um die dürren Flanken.
»Und dennoch, könnt Ihr glauben, daß dieser Kerl es noch für nötig befunden hat, heut seine Nase zu schminken?«, – »Das war freilich«, erwiderte ich, »ebenso töricht, als wenn man eine Rose schminken wollte!«
»Und dazu viel gefährlicher«, versetzte ein anderer, »denn eine Rose schminken heißt ein Werk Gottes verbessern wollen, und der liebe Gott verzeiht! Aber eine rote Nase schminken heißt den Teufel verhöhnen, und der verzeiht nicht!«
»Die Erklärung ist schon im Paradies zu suchen! Als Adam den Tieren ihren Namen gab, war eines darunter, das wedelte gar bedächtig mit den Ohren und sagte, es sei konservativ; es konnte aber keinen Grund hiefür angeben, und Adam sagt: ›Du sollst Esel heißen!‹« Erbostrückte dieser nun mit seinem innersten und eigentlichen Grunde, der seine fixe Idee war, heraus und warf dem Radikalismus vor, daß er den Wein versäuert und verteuert hätte.
Judith sah auch eine Zeitlang still auf das gleiche Bildchen mit mir, dann sah sie mir plötzlich dicht in die Augen, indem sie ihre Arme um meinen Hals legte, und sagte: »Du bist immer noch der gleiche! An was denkst du jetzt?« – »Ich weiß nicht!« erwiderte ich. – »Weißt du«, fuhr sie fort, »daß ich dich gleich fressen möchte, wenn du so studierst, ins Blaue hinaus!« und sie drückte mich enger an sich, während ich sagte: »Warum denn?« – »Ich weiß selbst nicht recht; aber es ist so langweilig unter den Leuten, daß man oft froh ist, wenn man an etwas anderes denken kann; ich möchte dies auch gern, aber ich weiß nicht viel und denke immer das gleiche, obschon mir etwas Unbekanntes im Kopfe herumgeht; wenn ich dich nun so staunen sehe, so ist es mir, als ob du gerade an das denkst, woran ich auch gern sinnen möchte; ich meine immer, es müßte einem so wohl sein, wenn man mit deinen geheimen Gedanken in die Weite spazieren könnte!« So etwas hatte ich noch niemals zu hören bekommen; obgleich ich wohl einsah, daß die Judith sich allzusehr zu meinen Gunsten
täuschte, was meine inneren Gedanken betraf, und ich tief beschämt errötete, daß ich glaubte, die Röte meiner brennenden Wange müsse ihre weiße Schulter anglühen, an welcher sie lag so sog ich doch Wort für Wort dieser süßesten Schmeichelei begierig ein
Ich umfaßte Judith, um nur dies beklemmende Zittern zu unterbrechen, und küßte sie auf den Mund; sie küßte mich wieder, fest und warm; doch dann löste sie meine Arme von ihrem Hals und sagte: »Glück ist Glück, und es gibt nur ein Glück; aber ich kann dich nicht länger hierbehalten, wenn du mir nicht gestehen willst, daß du und des Schulmeisters Tochter einander gern habt! Denn nur das Lügen macht alles schlimm!«
»Und was denkst du dir jetzt eigentlich darunter, daß du bei mir bist?« Ganz verwirrt und beschämt schwieg ich und suchte ein Wort; dann sagte ich endlich zaghaft: »Du hast mich ja mitgenommen!« – »Ja«, erwiderte sie, »aber wärest du mit jeder anderen hübschen Frau ebenso gegangen, die dich gelockt hätte? Besinne dich einmal hierauf!« Ich besann mich in der Tat und sagte dann ganz entschieden: »Nein, mit gar keiner!« – »Also bist du mir auch ein bißchen gut?« fuhr sie fort. Jetzt geriet ich in die größte Verlegenheit; denn die Frage zu bejahen, fühlte ich nun deutlich, würde die erste eigentliche Untreue gewesen sein, und doch, als ich versuchte ehrlich nachzudenken, vermochte ich noch weniger ein Nein hervorzubringen. Endlich konnte ich doch nicht anders und sagte: »Ja – aber doch nicht so wie der Anna!« – »Wie denn?« Ich umschlang sie ungestüm, und indem ich sie streichelte und ihr auf alle Weise schmeichelte, fuhr ich fort: »Siehst du! für die Anna möchte ich alles mögliche ertragen und jedem Winke gehorchen; ich möchte für sie ein braver und ehrenhafter Mann werden, an welchem alles durch und durch rein und klar ist, daß sie mich durchschauen dürfte wie einen Kristall; nichts tun, ohne ihrer zu gedenken, und in alle Ewigkeit mit ihrer Seele leben, auch wenn ich von heute an sie nicht mehr sehen würde! Dies alles könnte ich für dich nicht tun!
»Oh, das weiß ich wohl und fällt mir auch gar nicht ein!« erwiderte sie, »ich will dir auch sagen, was du von mir zu denken hast! Ich habe dich zu mir gelockt, erstens, weil ich wieder einmal ein wenig küssen wollte, was ich auch gleich hernach tun will, du
bist mir dazu gerade recht!
Für den künstlerischen Menschen nun wäre dies so anzuwenden, daß er sich eher leidend und zusehend verhalten und die Dinge an sich vorüberziehen lassen als ihnen nachjagen soll; denn wer in einem festlichen Zuge mitzieht, kann denselben nicht so beschreiben wie der, welcher am Wege steht.
Ich hatte mich erhoben und vor das Bett gestellt, und indem ihre Gesichtszüge klar wurden, nannte ich ihren Namen, aber nur hauchend und tonlos; es blieb totenstill, und als ich zugleich zaghaft ihre Hand berührte, zog ich die meinige entsetzt zurück, als ob ich an glühendes Eisen gekommen wäre; denn die Hand war kalt wie ein Häuflein kühler Ton.
Wie dies abstoßende kalte Gefühl meinen ganzen Körper durchrieselte, ließ es mir nun auch plötzlich das Gesicht der Leiche so seelenlos und abwesend erscheinen, daß mir beinahe der erschreckte Ausruf entfuhr: »Was hab ich mit dir zu schaffen?«
Der letzte Sonnenstrahl leuchtete nun durch die Glasscheibe in das bleiche Gesicht, das darunter lag; das Gefühl, das ich jetzt empfand, war so seltsam, daß ich es nicht anders als mit dem fremden und kalten Worte »objektiv« benennen kann, welches die Gelehrsamkeit erfunden hat. Ich glaube, die Glasscheibe tat es mir an, daß ich das Gut, was sie verschloß, gleich einem hinter Glas und Rahmen gebrachten Teil meiner Erfahrung, meines Lebens, in gehobener und feierlicher Stimmung, aber in vollkommener Ruhe begraben sah; noch heute weiß ich nicht, war es Stärke oder Schwäche, daß ich dies tragische und feierliche Ereignis viel eher genoß als erduldete und mich beinahe des nun ernst werdenden Wechsels des Lebens freute.
Der Schreiner hobelte mit wenigen Zügen eine schmale zierliche Hohlkehle um die Kanten, und ich sah verwundert, wie die Linien sich spielend dem weichen Holze eindrückten; dann zog er zwei Stücke Bimsstein hervor und rieb sie aneinander, indem er sie über den Sarg hielt und das weiße Pulver über denselben verbreitete; ich mußte lachen, als er die Stücke geradeso gewandt handhabte und abklopfte, wie ich bei meiner Mutter gesehen, wenn sie zwei Zuckerschollen über einem Kuchen rieb. Als er aber den Sarg vollends mit dem Steine abschliff, wurde derselbe so weiß wie Schnee, und kaum der leiseste rötliche Hauch des Tannenholzes schimmerte noch durch, wie bei einer Apfelblüte. Er sah so weit schöner und edler aus, als wenn er bemalt, vergoldet oder gar mit Erz beschlagen gewesen wäre.
Wir sahen, wie sie stets die Augen auf ihn richtete, sich traurig wegwendete und doch immer wieder näherte, während er sich zwang, es nicht zu bemerken, aber sichtlich sich hundertmal zurückhalten mußte, sie mit der zuckenden Hand nicht zu berühren. Gelang es ihr dagegen einmal, sich so zu stellen, als ob sie seine trocken väterliche Art verstehe und würdige, und dabei ein Weilchen die Hand auf seiner Schulter liegenzulassen oder gar sich wie ein unbefangenes Kind einen Augenblick an ihn zu lehnen, so leuchtete das Glück aus ihren Augen, und sie blieb dann den ganzen Abend hindurch zufrieden und genügsam.
Was die Gemäldesammlungen an seltenen und unersetzbaren Schätzen auf vergänglicher Leinwand bewahrten, wurde zur Erhaltung in dauernder Wiedergabe von geübten Arbeitern mit anspruchlosem Fleiße auf Porzellantafeln und edle Gefäße übergetragen mit einer Kunst, die erst seit wenig Jahren in solchem Grade bestand. Was nun der ganzen Trägerschaft dieser Kunstwelt, den großen und kleineren Meistern, den Gesellen und Schülern einen erhöhten Wert verlieh, das war der reinere Abglanz der ersten Jugendreife einer solchen Epoche, deren ideale Freudigkeit im selben Zeitalter selten wiederkehrt, eher schon von den leichten Schatten der Verbildung und Ausartung da und dort umschwebt wird. Alle, auch die Bejahrteren, waren noch jung, weil die ganze Zeit jung und die Spuren eines bloßen Könnens ohne Gefühl noch wenig zahlreich waren.
Gleich neben diesem sah ich den Veit Stoß, einen Mann von seltsamster Mischung. Er schnitt aus Holz so holde Marienbilder und Engel und bekleidete sie so lieblich mit Farben, güldenem Haar und Edelsteinen, daß damalige Dichter begeistert seine Werke besangen. Dazu war er ein mäßiger und stiller Mann, der keinen Wein trank und fleißig seiner Arbeit oblag, immer neue fromme Bilder für die Altäre erschaffend. Aber des Nachts machte er eifrig falsche Wertpapiere, um sein Gut zu mehren, und als er ertappt wurde, durchstach man ihm öffentlich mit einem glühenden Eisen beide Wangen. Weit entfernt, von solcher Schmach gebrochen zu werden, erreichte er in aller Gemächlichkeit ein Alter von fünfundneunzig Jahren und schnitt nebenbei Reliefkarten von Landschaften mit Städten, Gebirgen und Flüssen; auch malte er und stach in Kupfer.
Der war freilich ein Wäldervertilger; denn mit seinen Werkleuten, die er alle so groß und stark aussuchte, wie er selber war, mit dieser Riesenschaft arbeitete er mächtig in Bäumen und Balken, sinnreich und künstlich, und fand
nicht seinesgleichen. Er war jedoch ein trotziger Volksmann und machte im Bauernkrieg den Bauern Geschütze aus grünen Waldbäumen. Er sollte deshalb zu Dinkelsbühl geköpft werden; allein der Rat von Nürnberg löste ihn wegen seiner Kunst und Nützlichkeit aus und ernannte ihn zum Stadtzimmermeister.
Als ich in seine Nähe kam, hatte ich ein kleines Hühnchen mit ihm zu pflücken. Denn vor kurzer Zeit, da ich nach dem Rate des trinksamen Eichmeisters in der Abenddämmerung durch eine stille Straße ging, um den bescheidenen Abendtrunk aufzusuchen, begegnete ich dem mir unbekannten schlank hagern Manne, der plötzlich seinen raschen Schritt anhielt und mich achtlos Vorübergehenden fragte, warum ich ihm nicht die gebührende Ehre erweise? Erstaunt sah ich ihn an; aber schon hatte er mir den Hut vom Kopfe genommen, mir in die Hand gegeben und sagte: »Kennen Sie mich nicht? Ich bin der König!« worauf er seinen Weg in die Dämmerung hinein fortsetzte. Ich brachte meinen Hut wieder, wo er hingehörte, sah dem schattenhaften Wandler noch verblüffter nach und wußte nicht, was zu tun sei. Endlich sagte ich mir, wenn es ein Spaßvogel gewesen, der sich einen Scherz gemacht, so handle es sich nicht um die Ehre; sei es aber wirklich der König, dann auch nicht; denn wenn die Könige nicht beleidigt werden dürfen, so können sie auch nicht beleidigen noch beschimpfen, da ihre einsame Willkür jede gewöhnliche Wirkung aufhebe. Heute erkannte ich, als ich ihm vorüberging, sogleich, daß es der König gewesen. Die Narrenfreiheit benutzend, sprang ich aus dem Zuge heraus, trat vor ihn, streckte meinen Kopf dar und rief fröhlich: »Hei, Bruder König! warum greifst du nicht an meinen Hut?« Er sah mich aufmerksam an, erinnerte sich offenbar und verstand auch, daß ich die Disteln und Stechpalmen meinte, an denen er sich verletzen würde.
Da wurde gesungen in Orpheus' sehnlicher Klagweise, der gelben Löwenhautweise, der schwarzen Agtsteinweise, der Igelweise, verschlossenen Helmweise, überhohen Bergweise, krummen Zinkenweise, glatten Seidenweise, Strohhalmweise, spitzigen Pfriemweise, stumpfen Pinselweise, blauen Berlinerweise, rheinischen Senfweise, glitzerigen Turmgockelweise, sauren Zitronweise, zähen Honigweise usw., und das Gelächter war groß, wenn nach diesen pomphaften Ankündigungen immer der alte grämliche Leierton sich von neuem hören ließ.
Er war nicht eifersüchtig und schämte sich sogar des Gedankens, daß er es je sein könnte, weil die begründete wie die grundlose Eifersucht diejenige Würde vernichtet, deren die gute Liebe bedarf. Er wußte nur, daß in der Welt alles möglich sei und das Folgenreichste oft von einer kleinen Unterlassung abhänge, welche die Dinge ohne Not verändere, und überdies war er zu dieser Zeit noch ungewiß, ob das Verraten von Ruhe oder Unruhe welches von beiden für Rosalien eher beleidigend sein könnte.
jetzt aber stieg ihm doch der Gedanke auf, ob der Freund nicht doch einer von den Tröpfen sein dürfte, deren Hauptstück darin besteht, goldene Uhren zu stehlen oder einem andern das Weib zu nehmen. Es gibt ja, dachte er, bei beiden Geschlechtern solche Raub- und Wechseltiere, die nur dann glücklich sind, wenn sie erst fremdes Glück zerstört haben! Freilich nehmen sie nur, was sie kriegen können, und die Ware ist auch meistens darnach!
Als ich aber eine Viertelstunde später an demselben Ort vorüberkam, hatte die Spinne schon ein neues Werk begonnen und bereits die Radialtaue gespannt. Jetzt zog sie die feineren Querfäden, zwar nicht mehr so gleichmäßig und zierlich wie die zerstörten; es gab lockere oder zu enge Stellen, hier fehlte eine Linie, dort zog sie eine solche zweimal, kurz, sie betrug sich wie einer, über den Schweres und Hartes ergangen ist und der sich bekümmert und mit zerstreuten Sinnen wieder an die Arbeit gemacht hat. Ja freilich, es war unverkennbar, die kleine Kreatur sagte sich: Es hilft nichts! Ich muß in Gottes Namen wieder anfangen!
Was ist Erwerb und was ist Arbeit? fragte ich mich; hier führt ein bloßes Wollen, ein glücklicher Einfall ohne Mühe zu reichlichem Gewinne, dort eine geordnete, nachaltige Mühe, welche mehr wirklicher Arbeit gleicht, aber ohne innere Wahrheit, ohne notwendigen Zweck, ohne Idee. Hier heißt Arbeit, lohnt sich und wird zur Tugend, was dort Müßiggang, Nutzlosigkeit und Torheit ist. Hier nützt und hilft etwas stückweise, ohne wahr zu sein;
denn Leiden, Irrtum und Widerstandskraft erhalten das Leben lebendig, wie mich dünkt.
»Nicht trinken!« sagte sie leis, »die Lieb ist eine ernstliche Sach und will nicht betrunken sein, auch wenn sie nur Scherz ist!«
»Bin ich?« flüsterte Hulda; »glaubten Sie, ich sei von dem Holz, aus welchem man Essig macht? Schon zwei Liebhaber sind in diesem Herzen gewesen!«
»Himmel, schon zwei! Wo sind sie hin?«
»Nun, der erste war noch zu jung und hier in der Fremde; der mußte weiterwandern und hat mir dann geschrieben, daß er in der Heimat ein Liebchen habe, das er einst heiraten werde. Da gab's Tränen; aber das konnte mir nicht helfen. Dann kam der zweite, der wollte aber nicht arbeiten, und ich mußt ihn beinah ganz erhalten; das ging nicht auf die Dauer, auch schämt ich mich für ihn und ließ ihn laufen! Denn wer nicht arbeitet, soll nicht nur nicht essen, sondern braucht auch nicht zu lieben!«
»Und wie steht es denn mit Ihnen? Sind Sie frei?«
»Leider ganz und gar seit Jahren!«
»Nun denn, so lassen Sie uns ganz still und gemächlich eine Bekanntschaft anfangen und ruhig sehen, wohin sie uns führt!«
Sonnabends kommen Sie so um die neun Uhr vor dasselbe, und wir reden alsdann ab, was wir sonntags beginnen wollen. Die Woche durch aber schaffen wir still und zufrieden drauflos! O wie lieb ist die Arbeit, wenn man dabei an was Liebes zu denken hat und sicher ist, am Sonntag mit ihm zusammen zu sein. Und wenn wir erst so weit sind, daß wir im Stübchen bleiben und uns zusammentun, so mag es regnen und stürmen, wir sitzen ruhig und lachen den Himmel aus!«
»Tausend noch einmal!« rief ich lüstern vor mich hin, »was mögen das nur für allerliebste Wesen sein in dieser verwünschten Treppe?«
Ohne daß ich mich im geringsten wunderte, fing das Pferd plötzlich an zu sprechen, indem es den Kopf zurückwandte und antwortete: »Was wird's sein? Das sind nur die guten Dinge und Ideen, welche der Boden der Heimat in sich schließt und die derjenige herausklopft, der im Lande bleibt und sich redlich nährt!«
»Erinnere dich«, sagte der Goldfuchs, »auf wem du reitest! Bin ich nicht aus Gold entstanden? Gold aber ist Reichtum, und Reichtum ist Einsicht.«
»Hm!« machte das Pferd, »das ist nicht so genau zu nehmen. Die Leute haben allerdings ihr Augenmerk darauf gerichtet, ihre Identität, die sie in diesem Falle Unabhängigkeit nennen, zu behaupten und gegen jeglichen Angriff zu verteidigen. Nun wissen sie aber, daß ein kampffähiger guter Soldat wohlgenährt sein und ein Frühstück im Magen haben muß, wenn er sich schlagen soll. Da dies aber nur durch allerhand Gemünztes zu erreichen und zu sichern ist, so betrachten sie jeden, der damit versehen, als einen gerüsteten Verteidiger und Unterstützer der Identität und sehen ihn drum an. Da läuft es denn freilich mit unter, daß sie ihre Privatsachen mit den öffentlichen Dingen für identisch halten, wie man denn in der Übung jeglicher Energie nicht leicht zuviel tun kann, und so gewinnt dieser oder jener das Ansehen eines habsüchtigen Esels.
Selbst Christus war ein bißchen eitel, denn er hielt Haar und Bart gelockt und ließ sich die Füße salben!
Hier wendete sich das Eisen wieder in meinem Herzen und drückte mich jämmerlich die ganze Nacht. Dazu fing es an, mir den Hals zuzuschnüren, und ich konnte nicht anders Luft bekommen als durch den Ausbruch einer Tränenflut und erbärmlichen Schluchzens, zum ersten Mal in meinem Leben wegen Liebessachen. Der Unwillen über diese Schwachheit vermehrte das Übel, so wie auch die unliebsame Entdeckung, daß durch die wahre Leidenschaft, als welche ich die Geschichte ansah, die Freiheit der Person und jede vernünftige Selbstbestimmung verlorengehe, mich elend machte.
Wenn nun erst die offene, klare Herzensgüte, was man so die Holdseligkeit am Weibe nennt, uns gewinnt, so bringt uns nachher, wenn wir in unserer Einfalt entdecken, daß die Geliebte nicht nur schön und gut, sondern auch gescheit und beweglich ist, die fröhliche Kinderbosheit des Herzens vollends um Ruhe und Verstand; und so ging auch mir ein neues Licht auf, und es befiel mich ein heftiger Schreck, nun gewiß nie wieder ruhig zu werden, da ich gerade dies kurzweilige Frauenleben niemals mein nennen könne.
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